Oldenburg, 23. September 2025 – Glücksspiel ist für viele Menschen ein Freizeitvergnügen. Doch nicht selten wird aus gelegentlichem Spiel ein ernsthaftes Problem. Laut dem aktuellen Jahrbuch Sucht 2025 der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) haben 36,5 Prozent der 16- bis 70-Jährigen im Jahr 2023 mindestens einmal an einem Glücksspiel teilgenommen – das entspricht rund 20,4 Millionen Menschen.
Während die meisten nur gelegentlich spielen, zeigen Studien, dass rund 2,4 Prozent der SpielerInnen ein glücksspielbezogenes Störungsbild aufweisen; bei weiteren 6,1 Prozent besteht ein riskantes Spielverhalten. Besonders gefährlich sind bestimmte Spielformen: virtuelles Automatenspiel (32,8 %), Sportwetten – vor allem Live-Wetten – (31,8 %), Poker (26,9 %) und Geldspielautomaten (25,5 %).
Ein zentraler Risikofaktor ist die hohe Verfügbarkeit. Wer online spielt, kann jederzeit und überall zugreifen – beim Warten auf den Bus, in der Mittagspause oder abends im Bett. Digitale Zahlungen verschleiern zudem den realen Geldwert: Einsätze wirken abstrakter, was dazu führt, dass häufig mehr verspielt wird, als den Betroffenen bewusst ist.
„Gerade die ständige Erreichbarkeit, die schnellen Spielmechanismen und die Anonymität im Netz machen Online-Angebote so gefährlich. Wer online spielt, trägt das ‚Casino in der Hosentasche‘ – die Hemmschwelle sinkt enorm, und viele verlieren dabei das Gespür für den realen Einsatz“, warnt Jennifer Möller von der Fachstelle Sucht in Bad Zwischenahn.
Besonders tückisch sind schnelle Spielmechanismen wie Live- oder Mikrowetten. Durch die hohe Ereignisfrequenz – kurze Zeitspannen zwischen Einsatz, Spielausgang und der nächsten Einsatzmöglichkeit – verstärkt sich zusätzlich die Sogwirkung. Die Wahrscheinlichkeit steigt, dass SpielerInnen weitermachen und in kurzer Zeit viel Geld verlieren. Bei Sportwetten kommt ein weiterer Risikofaktor hinzu: Wer sich intensiv für Sport interessiert oder selbst aktiv ist, überschätzt häufig den Einfluss von Fachwissen. Der „doppelte Kick“ aus Sportleidenschaft und Wett-Nervenkitzel kann eine gefährliche Eigendynamik entwickeln und das Risiko einer Sucht erheblich erhöhen.
Die Folgen sind oft gravierend. GelegenheitsspielerInnen geben durchschnittlich rund 58 Euro pro Monat für Glücksspiel aus. Menschen mit einer leichten Störung liegen bereits bei 178 Euro, in schwereren Fällen bei bis zu 392 Euro. Entscheidend für eine Diagnose sind jedoch nicht allein die Ausgaben, sondern Merkmale wie Kontrollverlust, zunehmende Priorisierung des Glücksspiels oder das Weiterspielen trotz negativer Folgen. Besonders auffällig ist das sogenannte „Chasing“ – das verzweifelte Hinterherjagen von Verlusten. „Viele Betroffene versuchen, ihre finanziellen Probleme durch weiteres Spielen zu lösen. Doch das ist, als würde man versuchen, ein Feuer mit Benzin zu löschen“, erklärt Polina Lehmann von der Fachstelle Sucht in Oldenburg.
Knapp zwei Drittel der Betroffenen (66,8 %) haben glücksspielbedingte Schulden. Bei 28,6 Prozent liegen diese bei bis zu 10.000 Euro, bei knapp einem Viertel sogar über 25.000 Euro. Damit verursacht Glücksspielsucht im Schnitt höhere Schulden als andere Abhängigkeitserkrankungen.
Um die Hürden für eine frühzeitige Unterstützung zu senken, startet Niedersachsen zum Aktionstag Glücksspielsucht am 24. September das digitale Beratungsangebot DigiSucht. Unter dem Motto „Jedes Gespräch ein echter Gewinn“ macht eine landesweite Plakat- und Postkartenkampagne auf die neue Möglichkeit der anonymen und kostenfreien Online-Beratung aufmerksam. DigiSucht ergänzt die persönliche Beratung vor Ort durch digitale Zugänge: Ratsuchende erreichen professionelle Hilfe per Chat, Mail oder Videoberatung – unverbindlich, kostenfrei und ohne lange Wartezeiten.
„In der Glücksspielberatung zählt jeder Kontakt. Mit DigiSucht haben Betroffene nun eine weitere Möglichkeit, Hilfe zu finden – neben der persönlichen Beratung vor Ort auch anonym und digital“, so Lehman. In Niedersachsen beteiligen sich 26 Suchtberatungsstellen, die mit speziell geschulten Glücksspielfachkräften über die Plattform beraten. „Glücksspiel kann abhängig machen – mit Folgen für Gesundheit, Finanzen, Familie und Arbeit. Je früher Betroffene Unterstützung suchen, desto besser sind die Chancen auf Stabilisierung und Entlastung“, betont Möller.